Freitag, 17. Februar 2017

Reiter und Wissen

Bereits während meiner Ausbildung zur Tierphysiotherapeutin in 1998  befasste ich mich mit dem Thema "Diagnostik unter dem Reiter", schrieb hierzu eine Facharbeit und veranstaltete Workshops mit Therapeuten und Reitern, um die Zusammenhänge zwischen Pferdegesundheit und reiterlicher Einwirkung zu erforschen.

Bild links:
Bericht von unserem ersten Workshop mit Reitern und angehenden Tierphysiotherapeuten

Bis dahin behandelten Tierärzte Krankheiten mittels Medikamenten und Reitlehrer unterrichteten aufgrund Erfahrungen alter Reitmeister.  Beide Berufssparten hatten keine Verbindung untereinander.
Ich bin stolz darauf, behaupten zu dürfen, Pionierarbeit geleistet zu haben.

Das Physio-Riding als Symbiose aus Reitlehre und Tierphysiotherapie fand Beachtung in Tageszeitungen und diversen Fachzeitschriften. (Pegasus, Freizeit im Sattel, Cavallo, Mein Pferd u.v.m.) Seit 2005 ist es eine eingetragene Marke beim DPMA.
Wir haben inzwischen mit dem Verlag Pferdia ein wunderschönes Lehrvideo erstellt und beim Verlag Müller Rüschlikon ist ein Buch herausgekommen,

Nebenbei gibt es diverse Veröffentlichungen und Lehrbücher zu unserer inzwischen etablierten Physio-Riding Coachausbildung und wir haben das Konzept auf vielen Messen in ganz Deutschland vorgestellt.

Ich schreibe diese Zeilen heute, um mich selbst zu loben - tut ja sonst so selten jemand ... nein natürlich nicht, ich bekam und bekomme sehr viel sehr postives Feedback.

Bei aller positiver Entwicklung gibt es jedoch Fakten, die die Arbeit mit Pferden und Reitern sehr anstrengend gestalten und motivierte Trainer und Therapeuten oft zur Verzweiflung oder sogar zur Aufgabe bewegen.

Mich persönlich betrifft das nicht mehr. Ich bin inzwischen - nach weit über dreißig Jahren beruflicher Selbstständigkeit -  dickfällig und lange genug aktiv, um mich negativ beeinflussen zu lassen, bei vielen jungen Kollegen ist das jedoch anders.

Viele Reiter behaupten zwar, die Gesundheit ihrer Pferde an erste Stelle zu stellen, tun dies aber nur, solange es ihrer Wunschvorstellung von der Gestaltung ihres Zusammenlebens mit dem Tier nicht widerspricht. 

Hierdurch werden junge innovativ arbeitende Kollegen oft in eine Verteidigungsposition gezwungen, die sie nicht verdient haben und die auf Dauer sehr entmutigend wirkt.
Leider machen sich in dieser Stresssituation viele Kollegen, die eigentlich das Gleiche erreichen möchten, gegenseitig Konkurrenz anstatt zu kooperieren, und leider gehen viele Kollegen fachlich nicht vertretbare Kompromisse ein, weil sie sich bei ihren Kunden, den Reitern, nicht unbeliebt machen wollen.

Ich bin sicher, dass die großen Reitmeister  der Vergangenheit andere Lehrbücher geschrieben hätten, wenn sie unser Wissen über die Motorik und Psychologie des Pferdes gehabt hätten und sie würden sich vor Ärger im Grab herumdrehen, wenn sie wüssten, dass ihre Werke heute als klassisch und nicht mehr veränderbar gelten, obwohl wir doch heute vieles besser wissen.

Als die Reitmeister früherer Jahrhunderte ihre Bücher geschrieben haben, waren es neue Erkenntnisse, die verarbeitet wurden und sicher gab es zu allen Zeiten Traditionalisten, die Neues nicht akzeptieren wollten.

Heute sollten wir schlauer sein. 

Wären die alten Lehren perfekt und für jeden Reiter 
auch erlernbar und umsetzbar, 
gäbe es nicht so viele Pferde, 
die durch das Reiten krank werden. 





Sabine Bruns