Donnerstag, 5. Dezember 2013

Erkenntnisse über die Trainingstechnik „Lernen mit positiver Bestärkung“

Wer glaubt etwas zu sein, hat aufgehört etwas zu werden“ 
                                                                               Sokrates


Einer der Gründe, warum ich das Konzept PHYSIO-RIDING entwickelt habe, war die Erkenntnis aus der Tierphysiotherapie, dass ein Pferd nur dann gesund bleiben kann, wenn es sich während der Zusammenarbeit mit dem Menschen wohl fühlt. Jede Art von Angst und Stress sorgt für konstante Muskelanspannung, die gutes Reiten verhindert und das Pferd auf Dauer krank macht.

Grundlegender Bestandteil der Ausbildung des PHYSIO-RIDING war deshalb von Anfang an die Belohnung mit Leckerli nach der freundlichen!!! Aufforderung, eine Aufgabe zu erfüllen. Jede Art von Zwang oder Unterdrückung sollte unbedingt vermieden werden.

Als dann vor einigen Jahren das „Clickertraining“ erst in der Hundeerziehung und später auch in der Pferdeausbildung seinen Einzug fand, hat mich dieses Thema natürlich auch sofort interessiert. Leider informierte ich mich aber bei Leuten, die dieses Training mit „Halbwissen“ bewaffnet und dadurch falsch ausführten, was mich doch sehr abschreckte, da die Pferde außer einigen einfachen Kunststückchen wie beispielsweise Ball spielen nur unangenehmes Betteln und „Leckerli fordern“ lernten und sogar frech bis aggressiv wurden.
Ich lehnte daraufhin diese Ausbildungsmethode ab, wie viele andere auch, die gleiche Erfahrungen gemacht hatten. Zum Glück blieb es aber nicht dabei, da ich auch andere Leute kennen lernte, die „richtiges“ Clickertraining praktizieren. Heute weiß ich, dass alle diese unerwünschten Effekte nur dadurch entstanden sind, dass die ausführenden Menschen zu wenig Fachwissen und zu wenig Übung hatten.

„Du bekommst, was Du clickst.“ sagt Viviane Theby, (Buchautorin und Tierärztin mit Zusatzausbildung Verhaltenstherapie) und dieser Satz enthält mehr Fachwissen als so einige Bücher, die mittlerweile zu dieser Ausbildungsmethode auf dem Markt sind.

In der vergangenen Woche nahm ich an einem ersten Seminar bei Viviane Theby teil, bei dem Hühner mittels des Clickers über die positive Bestärkung trainiert werden. In dieser Woche hatten wir auch das große Glück, Bob Bailey und Parvene Farhoody, Pioniere und Experten der Ausbildung über positive Bestärkung aus den USA, kennen zu lernen, die während der Woche anwesend waren und uns einen wertvollen Einblick in ihren großen Erfahrungsschatz gaben.





Bild links: 
Dieses Huhn lernt verschiedene Formen sicher zu unterscheiden.








Bild links:
Nach nur 6 Trainingseinheiten je 1 Minute unterscheidet diese Huhn sicher vier verschiedene Farben.








Bild links:
Erinnerungsfoto mit Parvene Farhoody ( ganz links),
Bob Bailey (2. von rechts) und Viviane Theby (ganz rechts)
Vielen Dank für eine tolle Seminarwoche!




Der wichtigste Unterschied zum „normalen“ Trainieren mit unseren Haustieren, ist der, dass Gefühle völlig fehl am Platz sind.
Man trainiert ein Huhn, das man persönlich nicht kennt und dem Huhn ist es vollständig egal, ob der Mensch es mag oder nicht. Für das Huhn ist nur interessant, dass es sich ein Korn verdienen kann, wenn es die richtige Idee für eine Aktivität hat.
Der Mensch muss die Ausbildungsschritte für das Huhn penibel genau planen, damit das Huhn die richtigen Ideen hat und die Aufgabe erfüllen kann.

Der Mensch als Trainer muss sich zurück halten und keine Bewegungen machen, die das Huhn irritieren könnten und er muss sehr konzentriert beobachten um in den richtigen Momenten das gewünschte Verhalten zu belohnen, was sehr schwierig ist, da Hühner extrem schnell agieren und das Signal „Click“ also das Signal für „Ja, das ist richtig“ auf Zehntel Sekunden genau erfolgen muss.
Stimmt alles, lernen Hühner tatsächlich, komplizierte Aufgaben innerhalb von wenigen Trainingsminuten zu lösen, werden aber auch frustriert und aggressiv wenn das Timing beim Clicken nicht stimmt.

Wir Pferdeleute denken immer gerne, wir sind „Führer“ des Pferdes, beim Clickertraining mit Hühnern lernt man, dass man eher der Assistent und Partner eines intelligenten Tieres ist, das sich selber in Eigeninitiative die Aufgabe erarbeitet.

Mit der intelligenten Technik des Clickertrainings können alle Tiere ausgebildet werden, Delfine, Wale, Vögel, Wildtiere, Zootiere, Haustiere.... alle reagieren und agieren gleich, man muss sich mit den einzelnen Tierarten nicht auskennen.
Es ist also Quatsch, wenn wir Reiter uns einbilden, nur als „Pferdemenschen“, die die Psyche und das Verhalten des Pferdes kennen und sich besonders gut „einfühlen“ können, auch gut auszubilden, im Gegenteil, durch diese Erfahrung mit den Hühnern bin ich eher der Meinung, dass wir es unseren Haustieren viel schwerer machen zu lernen, da wir viel zu egoistisch unsere eigene Gefühlswelt einbringen und die Intelligenz der Tiere dabei maßlos unterschätzen.

Um ein Tier gut auszubilden, braucht man ein klares Prinzip, muss sein Verhalten jederzeit sicher kontrollieren und man braucht einen starken Charakter, um diszipliniert und nicht Gefühls-abhängig zu agieren.

Diese neue Erfahrung, einmal mit ganz anderen Tieren zu trainieren, war sehr aufschlussreich für mich und wird meinen Pferden sehr nützlich sein.
Ich freue mich schon auf die nächsten Seminare auf dem Scheuerhof und empfehle jedem Pferde- oder Hundeausbilder die Teilnahme an den Clickermodulen mit Hühnern bei Viviane Theby. Kontakt: www.tierakademie.de

In 2014 werde ich im Rahmen des PHYSIO-RIDING und der AFT interaktiv Gbr meine neuen Erfahrungen zum Thema „Trainingstechnik Positive Bestärkung“ weiter geben.
Wer Interesse an Vorträgen oder entsprechenden Workshops hat, melde sich bitte per Email.


Empfehlenswerte Literatur:
Vivane Theby, Katja Frey, Nina Steigerwald „Clickerfitte Pferde“ Verlag Müller-Rüschlikon
Karen Pryor „Positiv bestärken, sanft erziehen“ Verlag Kosmos
Karen Pryor „Die Seele der Tiere erreichen“ Verlag Kosmos